Richard von Weizsäcker Forum 2023

Politische Polarisierung und zunehmender Populismus bedrohen unsere Demokratien und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Im Rahmen des diesjährigen Richard von Weizsäcker-Forums kamen ehemalige, aktuelle und zukünftige Fellows zu einer Studienreise nach Berlin und Sachsen zusammen, um über die Ursachen und Folgen politischer Polarisierung in Deutschland und der Welt zu diskutieren.

RvW Forum 2023 Dresden Teaser
Ausserhofer / Robert Bosch Academy

In Deutschland und vielen anderen Ländern ist der Populismus auf dem Vormarsch. Um über politische Polarisierung und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu diskutieren, hat die Robert Bosch Academy die Richard von Weizsäcker Fellows zu einer Studienreise nach Berlin und Dresden eingeladen. In der sächsischen Landeshauptstadt Dresden stehen im Herbst 2024 Landtagswahlen an. Es wird erwartet, dass die politisch rechts stehende Alternative für Deutschland (AfD) weitere Wahlerfolge erzielt. Als Teil Ostdeutschlands zeigt Sachsen anschaulich die noch immer bestehenden sozioökonomischen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland, die sich auf das Leben der Bürger:innen und die Politik in den Bundesländern auswirken. Vom 10. bis 15. Oktober machten sich 60 ehemalige, derzeitige und künftige Fellows in einer Reihe von Gesprächen mit Entscheidungsträger:innen aus Politik und Wirtschaft, Vertreter:innen der Zivilgesellschaft und Wirtschaft und Künstler:innen mit der Situation in Deutschland vertraut.

Politische Polarisierung in der Welt

Am ersten Tag der Reise in Berlin diskutierten die Fellows über die Ursachen und Folgen der politischen Polarisierung weltweit. Das Phänomen ist nicht neu und findet sich in vielen Ländern in unterschiedlicher Ausprägung. Während einige Länder von populistischen Politiker:innen geführt werden, die die Polarisierung vorantreiben, gibt es andere Länder, in denen die Wurzeln der Polarisierung in dem gescheiterten Versprechen liegen, dass die Demokratie Gleichheit und sozialen Wohlstand bringen wird. In einer Podiumsdiskussion tauschten vier Sprecher:innen ihre Ansichten aus: Karolina Wigura, Richard von Weizsäcker Fellow, Soziologin und Direktorin der NGO und des Online-Journals Kultura Liberalna; Ivan Krastev, Richard von Weizsäcker-Fellow und Direktor des Centre for Liberal Strategies; Henry Kwasi Prempeh, Direktor des Ghana Center for Democratic Development; und Maja Göpel, politische Ökonomin und Honorarprofessorin an der Leuphana Universität Lüneburg.

RvW Forum 2023 Ivan Krastev
Ausserhofer / Robert Bosch Academy


Ivan Krastev: „Die Zukunft ist eine der größten Ressourcen der Demokratie, und die Vorstellung, dass diese Zukunft in Gefahr ist, ist ein Schlüsselelement der politischen Polarisierung. Früher war die Zukunft ein Projekt, heute ist sie nur noch eine Projektion all dessen, was uns Angst macht – mit vielen Hindernissen und Herausforderungen wie dem Aufstieg des Nationalismus und dem Klimawandel.“

Mit der fehlenden Vision einer wohlhabenden Zukunft geht auch ein Mangel an Vertrauen in Institutionen und die Zivilgesellschaft einher. Laut einer Studie der Nichtregierungsorganisation More in Common halten zwei Drittel der Menschen in Deutschland die Gesellschaft für „ziemlich gespalten“ und fühlen sich von der politischen Klasse „allein gelassen“. In einer Podiumsdiskussion schlug Laura-Kristine Krause, Gründungsgeschäftsführerin von More in Common, vor, die Bürger:innen in die politische Arbeit einzubeziehen, um die Verbindung zum politischen System zu stärken.  

RvW Forum 2023 Laura-Kristine Krause
Ausserhofer/ Robert Bosch Academy


Laura-Kristine Krause: „Wir müssen wieder lernen, über die Zukunft nachzudenken und darüber, wie wir sie als aktive Bürger gestalten können. Die Covid-19-Pandemie und auch die aktuelle Inflation führen dazu, dass sich die Menschen wieder für Politik interessieren und sie merken, dass ihre Stimme etwas bewirkt. Das Problem ist, dass die Politiker:innen dieses Momentum bisher nicht genutzt haben.“

Eine Wurzel des Problems ist die mangelnde Repräsentation und Anerkennung von Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und unterschiedlichen Meinungen in der Gesellschaft, argumentierte Harsh Mander, Richard von Weizsäcker Fellow und Direktor des Center for Equity Studies. Laut einer OECD-Studie ist in den OECD-Ländern ein deutlicher Rückgang der Wahlbeteiligung junger Menschen zu verzeichnen. Da Demokratie erlernt werden muss, ist Bildung der Schlüssel zu einer aktiven Bürgerschaft.

RvW Forum 2023 Sarah Kups
Ausserhofer / Robert Bosch Academy

 

Sarah Kups: „Was wir anstreben, ist ein skeptisches Vertrauen in das politische System. Die Bürger sollen ihre aktive Rolle erkennen, aber sich auch eine kritische Haltung beibehalten.“

Eine gespaltene Gesellschaft in Deutschland

Wenn es um sozialen Zusammenhalt, Rassismus und Diskriminierung und deren Darstellung in der Gesellschaft geht, können verschiedene Kunstformen dabei helfen, unterschiedliche Facetten des Themas zu verstehen. Fatih Akın ist ein deutscher Filmproduzent und -regisseur mit türkischem Hintergrund, der dafür bekannt ist, dass seine Filme unterschiedliche Lebensrealitäten von Migrant:innen in Deutschland beleuchten. Dabei geht es besonders um Fragen des Rassismus, der Fremdenfeindlichkeit und der Identität. Die Fellows hatten die Möglichkeit, zwei ausgewählte Filmsequenzen zu sehen und zu diskutieren, wie einige der gezeigten Mechanismen zur systematischen Diskriminierung von Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland beitragen. Offen blieb dabei die Frage, was „deutsche Leitkultur“ und „Deutschsein“ eigentlich bedeuten.

RvW Forum 2023 Fatih Akin
Ausserhofer / Robert Bosch Academy


Fatih Akın: „Es wird mindestens eine Generation von Filmen, Liedern, Literatur und Theaterstücken brauchen, um über aktuelle Probleme des gesellschaftlichen Zusammenhalts wie Diskriminierung und den zunehmenden Populismus sowie Fragen der deutschen Leitkultur umfassend nachdenken zu können.“

Vor der Abreise nach Dresden trafen sich die Bundestagsabgeordneten Rasha Nasr (SPD) und Markus Reichel (CDU) mit den Fellows zu einem gemeinsamen Abendessen, um über Dresden und übergreifende Themen in Sachsen zu sprechen. Einer der Hauptdiskussionspunkte war die Angst vor dem Verlust von Wohlstand und sozialer Sicherheit sowie die Rolle der Migration und das fehlende Vertrauen in die politische Führung.

RvW Forum 2023 Rasha Nasr
Ausserhofer / Robert Bosch Academy

Rasha Nasr: „Politiker:innen müssen eine Vision formulieren. Die Menschen müssen wissen, was wir tun und dass wir unsere Verantwortung, dieses Land zu führen, ernst nehmen. Und wir brauchen mehr Politiker:innen aus Ostdeutschland, weil wir wissen, dass Repräsentation wichtig ist.“

Der zweite Tag in Berlin begann mit einem Besuch im Bundeskanzleramt und einem Treffen mit dem Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben, Wolfgang Schmidt (SPD), der über die Herausforderungen einer Drei-Parteien-Koalition (Sozialdemokratische Partei, Grüne, Freie Demokraten) in Deutschland in schwierigen Zeiten sprach. Diskutiert wurde die Situation in Israel und Palästina, die wirtschaftliche Situation und Inflation, Migration und der Krieg in der und die Unterstützung für die Ukraine.

Wie die Vergangenheit die Gegenwart formt

Auf dem Weg nach Dresden besuchten die Fellows die ehemalige Zechenstadt Großräschen. Sie gehört zu einer Region, die nach dem Sturz des Kommunismus 1989 stark gelitten hat. Die Hälfte der Einwohner:innen arbeitete in der Kohleindustrie. Innerhalb von nur drei Jahren wurden 80 Prozent der Bergwerke geschlossen und viele Menschen arbeitslos. Um das Gebiet wiederzubeleben, entwarf der Architekt Rolf Kuhn, Leiter des IBA-Studierhauses Lausitzer Seenland, ein Projekt, das die Kohlegruben in eine Seenlandschaft verwandelt und die Umrisse des ehemaligen Tagebaus noch sichtbar macht. Das Projekt ist die gelungene Transformation einer Region, die ihre Vergangenheit schätzt und anerkennt – und sie voller Stolz jedes Jahr Tausenden von Tourist:innen zeigt.

In Dresden besuchten die Fellows eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt: die Frauenkirche. Die im 18. Jahrhundert erbaute Kirche wurde 1945 bei der Bombardierung der Stadt durch die Alliierten fast vollständig zerstört. Zu DDR-Zeiten blieb die Kirche als Mahnmal gegen den Krieg eine Ruine und wurde schließlich 2005 wieder aufgebaut und eröffnet. Heute ist die Frauenkirche ein Ort der umkämpften Erinnerung: Einerseits ist sie eine Stätte des Gedenkens an den Zweiten Weltkrieg. Auf der anderen Seite wird sie von rechten Parteien als Symbol des christlichen Abendlandes und als Teil des berühmten Erbes der Stadt instrumentalisiert. Über die Rolle des kollektiven Gedächtnisses diskutierten vor diesem Hintergrund Nancy Aris, Sächsische Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, Caroline Förster, Geschäftsführerin des Historischen Vereins Dresden, und Maria Noth, Geschäftsführerin der Stiftung Frauenkirche Dresden.

RvW Forum 2023 Caroline Förster
Ausserhofer / Robert Bosch Academy


Caroline Förster: „Rechte Parteien und Konservatismus vermitteln den Eindruck, Garanten für Stabilität und Sicherheit zu sein. Angesichts des Erstarkens konservativer politischer Tendenzen ist Geschichtsbewusstsein so wichtig wie nie zuvor, um uns daran zu erinnern, wohin Rechtsextremismus führen kann.“

Die friedliche Revolution und die Wende nach 1989 brachten viele Veränderungen mit sich, die tiefe Spuren im Leben vieler Menschen in Ostdeutschland hinterließen. Das Wirtschafts- und Sozialsystem wurde von heute auf morgen völlig umstrukturiert, was zu einer Identitätskrise bei den Einwohner:innen führte. Bei einem Mittagessen diskutierte Petra Köpping (SPD), Ministerin für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt, mit der Gruppe über die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland, die immer noch sichtbar sind. Die Wissenslücke, die viele Westdeutsche über das Leben in der DDR haben, einschließlich einiger der Vorzüge wie das Rentensystem und die soziale Absicherung bei der Kinderbetreuung, kann auf Ostdeutsche manchmal arrogant wirken.

Eine der Herausforderungen, denen sich die Region immer noch stellen muss, ist die Abwanderung gebildeter Menschen in den Westen Deutschlands, wo die Gehälter höher sind. Dennoch ist die sächsische Wirtschaft seit 2000 um über 30 Prozent gewachsen und weist damit eine der höchsten Wachstumsraten in ganz Deutschland auf. Zu den wichtigsten Industriezweigen gehören die Automobilindustrie, der Maschinen- und Anlagenbau, die IKT-Branche und die Mikroelektronik.

Im Gespräch über das wirtschaftliche Wachstum Sachsens trafen die Fellows Christian Koitzsch, Werksleiter der Robert Bosch Halbleiterfertigung Dresden, Markus Schlimbach, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes Sachsen, und Marcel Thum, Direktor des ifo Instituts Dresden. Sie gaben Einblicke in die Vision von „Silicon Saxony“, einem Technologiestandort mit mehr als 400 Unternehmen. Eine der Herausforderungen ist dabei die negative demografische Entwicklung und der Fachkräftemangel.

RvW Forum 2023 Markus Schlimbach
Ausserhofer / Robert Bosch Academy


Markus Schlimbach: Wohlstandist nicht nur für die Wirtschaftskraft wichtig. Mehr Arbeitsplätze in Sachsen haben auch Auswirkungen auf die gesellschaftliche Entwicklung, die Vielfalt und Fragen um Zuwanderung.

Eine andere, eher kritische Perspektive auf Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts eröffnete sich später am Tag mit dem Schriftsteller Uwe Tellkamp. Der gebürtige DDR-Bürger veröffentlichte 2008 das viel beachtete belletristische Buch "Der Turm". Später wurde er zu einer der umstrittenen Stimmen aus dem rechts gerichteten Lager. Im Gespräch mit den Fellows wies er auf die Frustrationen und Enttäuschungen der Ostdeutschen hin und teilte seine Ansichten über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen, Bedenken hinsichtlich der Einwanderung und der deutschen Identität, was zu einer lebhaften Diskussion über die Fragilität der deutschen Identität, unterschiedliche Ansichten zu Migration und verschiedene Visionen einer gemeinsamen Zukunft führte.

Polarisierte Wahlen in Sachsen im Jahr 2024

Ein Höhepunkt der Studienreise war der Besuch im sächsischen Landtag, gepaart mit einer fruchtbaren Diskussion mit einigen seiner Mitglieder. Als eines der Hauptthemen, die den Ausgang der Landtagswahlen in Sachsen im nächsten Jahr bestimmen werden, wurde die Migration genannt. Die Arbeitsmigration ist in einigen Branchen, wie etwa im Bildungs- und Ingenieurwesen, äußerst wichtig.

Seit 2017 ist die AfD im Landtag und hat das politische Klima in den immer hitziger werdenden Diskussionen geprägt. Obwohl den Vertreter:innen der Parteien bewusst ist, dass es ihre Aufgabe ist, den Freistaat regierbar zu halten und die Polarisierung abzubauen, gab es keinen Konsens darüber, wie dies geschehen soll. Die Vision dieser Zukunft für die politische Debatte in Sachsen ist nicht klar: Im Gegenteil, es scheint eine Strategie zu fehlen, um das Vertrauen und die Unterstützung der Wähler:innen für die demokratischen Parteien zurückzugewinnen. Sollte die AfD bei den Wahlen im nächsten Jahr stärkste Partei werden, bleibt die Frage, ob sie koalitionsfähig wäre oder in einer Minderheitsregierung regieren könnte und was ihr Sieg für die Landespolitik bedeuten würde.

Als nächstes sprachen die Journalistin Annette Binninger, die der Chefredaktion der Sächsischen Zeitung angehört und das Ressort Landespolitik leitet, und Tobias Wolf, Landeskorrespondent der Freien Presse in Dresden, über die Rolle des Journalismus und der staatlichen Medien sowie über die Meinungsfreiheit in Zeiten politischer Polarisierung. Eines der Hauptprobleme sei das mangelnde Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die traditionellen Medien sowie die Tatsache, dass sich viele junge Menschen vor allem über soziale Medien informierten. Vor allem rechte Parteien wie die AfD erklärten die Nachrichten der staatlichen Medien und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Fake News, während sie auf Plattformen wie TikTok alternative Nachrichten verbreiteten, um jüngere Generationen zu erreichen.

RvW Forum 2023 Annette Binninger
Ausserhofer / Robert Bosch Academy

Annette Binninger: „Manche nennen uns Lügenpresse und werfen uns vor, die Stimmen der extremen Rechten auszublenden. Wenn ich das schreiben würde, was manche Rechtsextreme von mir verlangen, nämlich dass unsere Demokratie gescheitert sei, dann wäre genau das eine Lüge und würde zudem den Boden für ein Ende unseres politischen Systems bereiten.“

Eine weitere wichtige Sichtweise waren die Stimmen von Dresdner:innen mit Migrationsgeschichte, die in lokalen Organisationen aktiv sind. In einem Gespräch mit Douha Al Fayyad, stellvertretende Vorsitzende des Ausländerrates Dresden, Emiliano Chaimite und Paolo Le van (beide Dachverband sächsischer Migrant:innenorganisationen) erfuhren die Fellows mehr über die Geschichte der Vertragsarbeiter, also Arbeitskräfte aus dem damaligen sozialistischen Ausland, in der DDR, ihre systematische Ausgrenzung und die Struktur der Integration. Erst 2015, im Zuge der in diesem Jahr einsetzenden „Migrationskrise“ oder dem langen Sommer der Migration, habe die Stadt Dresden mit einem strukturierten Integrationsprogramm begonnen, Neuankommende im Alltag zu unterstützen. Die starre Bürokratie und andere Hürden machten es immer noch schwierig, einen Job zu finden und ein friedliches Leben in der Stadt zu führen.

Emiliano Chamite

Emiliano Chamite:  Wir arbeiten auf vielen Ebenen, um den sozialen Zusammenhalt zu fördern und Neuankömmlingen den Start ins Leben in Dresden zu erleichtern. Aber wir sehen auch, dass die bürokratischen Hürden nicht vorankommen und Migration immer noch als Problem gesehen wird, während wir sie als Chance sehen.

Die Entwicklungen und Herausforderungen in Ostdeutschland sind nicht nur dort ein Problem: Populistische Parteien sind auch in anderen Teilen Deutschlands und Europas auf dem Vormarsch. Der Verlust des Vertrauens in die Demokratie und die zunehmende Polarisierung ist ein bundesweites und internationales Phänomen. Die Studienreise machte dennoch deutlich, dass es 33 Jahre nach der Wiedervereinigung noch große Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland gibt – auch jenseits wirtschaftlicher und sozialer Ungerechtigkeit. Die Reise zeigte verschiedene Perspektiven auf Formen und Folgen politischer Polarisierung in Deutschland auf und wies auf Herausforderungen und Chancen eines Wandels hin.

Ted Piccone rund

Eindrücke von Fellows

Ted Piccone, nonresident senior fellow, Brookings Institution: Das diesjährige Forum war anders als alle anderen Treffen der Robert Bosch Academy, an denen ich seit meiner ersten Begegnung 2017 teilgenommen habe. Unsere Kolleg:innen brachten eine direktere Forderung nach moralischer Führung und politischem Wandel in diesen sehr unruhigen Zeiten zum Ausdruck. Ausgelöst wurde dies durch die schrecklichen Ereignisse in Israel und Palästina, aber auch durch die schwierigen Fragen der Polarisierung und Migration, die in Sachsen und Berlin diskutiert wurden. Während ich zuhörte, wurde ich erneut an die grundlegenden Werte und Prinzipien erinnert, die unsere Gemeinschaften leiten sollten - Würde, Gleichheit, Gerechtigkeit und unsere gemeinsame Menschlichkeit. Doch allzu oft werden wir diesen Standards nicht gerecht und tappen in die Fallen der Realpolitik und des Eigeninteresses. Das Forum hat mir bewusst gemacht, worauf es bei unserem gemeinsamen Streben nach Frieden und Demokratie wirklich ankommt, und den Respekt unterstrichen, den wir uns gegenseitig schulden, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind.

Anasuya Sengupta rund

Anasuya Sengupta, Co-Direktorin und Mitbegründerin von Whose Knowledge?: Für mich war es die erste Teilnahme am  Forum. Das Thema der Studienreise - Polarisierung und sozialer Zusammenhalt - wurden für mich auf sehr persönliche Weise greifbar. Gleichzeitig haben die sorgfältige Programmgestaltung, die herausragenden Menschen, die wir in Berlin und Dresden treffen konnten, und die nachdenklichen Gespräche mit ihnen dazu beigetragen, die Verbindungen zwischen unseren unterschiedlichen Lebenserfahrungen und der deutschen Lebenswirklichkeit herzustellen. Besonders bewegt haben mich die Gespräche mit dem Filmemacher Fatih Akin, und Douha Al Fayyad, Emiliano Chaimite und Paolo Le Van, die ihr Leben als People of Color in Sachsen beschrieben. Beide Veranstaltungen waren für mich ein Höhepunkt des Forums - die kraftvolle Art und Weise, in der ein Filmemacher wie Fatih Akin seinen Blick darauf richtet, wer und was für die Privilegierten oft ungesehen oder unsichtbar ist, und in der im Gegenzug starke Persönlichkeiten wie Douha, Emiliano und Paolo kraftvoll ausdrücken können, was von den Privilegierten oft ungesagt oder ungehört bleibt. Sie standen für das gleichzeitige Anerkennen von Unterschieden und das Teilen einer gemeinsamen Menschlichkeit. Sie verkörperten Hoffnung und Mut.