"Große Bilder brauchen große Rahmen"
Dieter Kosslick, Leiter der Internationalen Filmfestspiele Berlin, zu Gast in der Robert Bosch Academy
„Die Berlinale ist nicht bloß ein Filmfestival. Sie ist ein Kulturevent, das Fenster zu anderen Gesellschaften öffnet und das auf diese Weise zur Völkerverständigung beiträgt.“ Das sagte der Leiter der Internationalen Filmfestspiele Berlin, Dieter Kosslick, am 28. April 2015 in der Robert Bosch Academy. Kosslick war Gast der Reihe „Film Screenings @Academy“, in der einem ausgewählten Publikum künstlerisch wertvolle Filme mit politischen Botschaften gezeigt werden. Professor Joachim Rogall begrüßte die rund 150 Gäste im Namen der Robert Bosch Stiftung. Im Gespräch mit Sandra Breka, Leiterin der Repräsentanz Berlin, wagte Dieter Kosslick anschließend einen Blick in die Vergangenheit und Zukunft der Berlinale.
Film bringt Menschen zusammen
„Schon der Ursprung der Berlinale beweist, dass Kultur Brücken baut“, erläuterte Kosslick seine Aussage. Ein CIA-Mitarbeiter habe die Filmfestspiele mitten im Kalten Krieg angeregt, als die Blöcke auf allen Gebieten des Lebens wetteiferten. Kosslick erinnerte an die Prachtbauten der Stalinallee im Osten Berlins, auf die der Westen mit dem modernen Hansa-Viertel antwortete. Statt zu spalten habe die Berlinale die Menschen aber zusammengebracht. Zu Tausenden seien die Ost-Berliner in den Westteil der Stadt geströmt, um für ein paar Pfennige Filme aus aller Welt zu sehen. „Gottseidank liegt die Berlinale heute nicht mehr in amerikanischen Händen, sondern in meinen“, scherzte Dieter Kosslick und fügte ernst hinzu: „Bomben haben weder im Irak noch irgendwo sonst Frieden gebracht. Das vermag nur die Kultur.“
Exklusive Deutschlandpremiere
Als „Fenster zu einer anderen Gesellschaft“ diente beim Film Screening @Academy der Siegerbeitrag der Berlinale 2015. Der Film „Taxi“ des Iraners Jafar Panahi läuft offiziell erst im Sommer in den deutschen Kinos an, begeisterte aber schon an diesem Abend die Gäste der Robert Bosch Academy. Dieter Kosslick bezeichnete es als den bewegendsten Moment der diesjährigen Berlinale, als die Nichte Panahis unter Tränen den „Goldenen Bären“ entgegennahm. Das elfjährige Mädchen vertrat den Regisseur, der im Iran unter Hausarrest stand.
Kunst und Kommerz kein Widerspruch
Stolz verwies der Berlinale-Chef auf den Erfolg von „Taxi“ in Frankreich. Zwar seien dort weniger Kopien im Umlauf als etwa von einem Blockbuster wie Fast and Furious 7. Diese Kopien hätten aber jeweils deutlich mehr Zuschauer erreicht. „Ein kreativer Low-Budget-Film mit einer hochpolitischen Aussage schlägt die millionenteuren Materialschlachten aus Hollywood – schon dafür lohnt es sich, jedes Jahr Filmfestspiele zu veranstalten“, so Dieter Kosslick. „Ganz nebenbei zeigen wir, dass Kunst und kommerzieller Erfolg einander keineswegs ausschließen.“
Ben Hur auf der Apple Watch
Die Frage nach der Zukunft der Berlinale beantwortete Dieter Kosslick pragmatisch. Wachstum sei nicht mehr möglich. Die Kapazitäten des Festivals, Kinos zu mieten und Karten zu verkaufen, seien ausgeschöpft. Ob sich die Berlinale programmatisch wandeln müsse, werde sein Nachfolger entscheiden. Eines allerdings steht für Dieter Kosslick fest: Die Menschen werden auch morgen noch ins Kino gehen, genauso wie sie trotz Livestream und Spotify noch Rockkonzerte besuchen. „Man stelle sich nur einmal Ben Hur auf einer Apple Watch vor. Lächerlich. Große Bilder brauchen große Rahmen.“
Purivatra dankt Kosslick
Das Projekt Film Screening @Academy wurde von Mirsad Purivatra, Direktor des Sarajevo Filmfestivals und Richard von Weizsäcker Fellow an der Robert Bosch Academy, ins Leben gerufen. Beim zweiten Film Screening @Academy am 28. April 2015 sprach Purivatra einleitende Worte zu „Taxi“. Zudem dankte er seinem Freund Dieter Kosslick und dem Berlinale-Team für die Zusammenarbeit bei der Nachwuchsförderung sowie für jahrelange Inspiration. „In Sarajewo verfolgen wir den Weg des großen Bruders in Berlin sehr genau“, bekannte Mirsad Purivatra.
Video zur Veranstaltung
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