Was eine Biden-Regierung für China bedeutet

Dezember 2020

Es wäre Wunschdenken, vom neuen US-Präsidenten Joe Biden eine dramatische Verbesserung der amerikanisch-chinesischen Beziehungen zu erwarten. Sie werden sich jedoch nicht weiter rapide verschlechtern, wie sie es unter Trump getan haben. Fünf Gründe für eine künftige Stabilisierung der Beziehungen.

Von Huang Jing

China Xi Jinping
Drop of Light / shutterstock.com

Die Beziehungen zwischen Washington und Peking haben sich im Verlauf der Amtszeit von Donald Trump stetig verschlechtert. Auch wenn der US-Präsident ab Januar 2021 Joe Biden heißen wird, wäre es reines Wunschdenken, eine dramatische Verbesserung zu erwarten. Schließlich kann eine Präsidentenwahl trotz ihrer großen Bedeutung für die amerikanische Politik kaum den parteiübergreifenden Konsens im US-Kongress verändern, dass China ein strategischer Rivale oder sogar ein Gegner der USA sei. Der Druck, den Biden auf China ausübt, wird vielmehr beharrlicher und umfassender sein als zuvor. Denn der neue Präsident wird bei seinen politischen Entscheidungen Zusammenhalt und inhaltliche Beständigkeit miteinander verbinden müssen. Gleichzeitig muss die US-Administration ihre China-Politik mit ihren Verbündeten abstimmen.

Peking muss die Beziehungen mit Washington stabilisieren

Die Beziehungen zwischen den beiden Großmächten werden sich aber keineswegs weiter im freien Fall befinden. Im Gegenteil: Präsident Biden eröffnet China eine wertvolle Gelegenheit, die bilateralen Beziehungen zu stabilisieren.

Im Vordergrund steht dabei erstens eine neue US-Außenpolitik, die im deutlichen Gegensatz zu der von Donald Trump stehen wird. Wir können in vielen wichtigen Politikfeldern konkrete, grundsätzliche Veränderungen erwarten – dazu gehören der Klimawandel, die Nichtverbreitung von Nuklearwaffen, die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie, der internationale Handel und die Stabilität des Finanzsystems.

Darüber hinaus hat Joe Biden bereits angekündigt, dass die USA wieder dem Pariser Klimaabkommen beitreten werden und ihren Rückzug aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stoppen wollen. Gleichzeitig will die neue Regierung die Aufkündigung des Nuklearabkommens mit dem Iran zumindest überdenken und ihre Politik gegenüber der Welthandelsorganisation (WTO) neu justieren. Trump hatte die WTO praktisch boykottiert. Die Biden-Administration könnte aktiv auf Europa und Japan zugehen, um über einen neuen politischen und rechtlichen Rahmen für den internationalen Handel und internationale Investitionen zu verhandeln. In all diesen Politikfeldern sollte China die Gelegenheit nutzen, um einen möglichst großen gemeinsamen Nenner mit den USA zu finden.

Chinas „Multilateralismus“: bloße Rhetorik oder Politik mit Substanz?

Es gibt zweitens wenig Grund zu bezweifeln, dass Biden die unilateralistische Politik Trumps aufgeben wird. Nicht nur, weil sie das internationale Ansehen der USA schwer beschädigt hat, sondern auch weil ein multilaterales Vorgehen unverzichtbar ist, wenn Washington ein stabiles Allianzsystem unter seiner Führung wiederherstellen und bewahren will.

Während der Amtszeit von Trump hat sich Chinas Führung wiederholt zu multilateralen Prinzipien in der eigenen Politik bekannt. Jetzt ist die Zeit gekommen, um zu sehen, ob das ein bloßes rhetorisches Bekenntnis war oder ob es sich wirklich um einen substanziellen Politikansatz handelt. Das würde eine weitere Gelegenheit zur Annäherung China an eine Biden-Regierung bieten, die ebenfalls auf Multilateralismus in globalen Angelegenheiten setzt. Schließlich sind die USA und China trotz ihrer sich entwickelnden „strategischen Rivalität“ in dasselbe globale politische System eingebunden. Ein multilateraler Politikstil könnte zu einem konstruktiven Austausch dieser beiden Mächte über globale und internationale Themen führen.

Drittens steht die Weltwirtschaft vor der großen Gefahr eines weitreichenden Zusammenbruchs des Banken- und Finanzsystems oder zumindest vor einer weltweiten Rezession. Der Grund ist die von der Covid-19-Pandemie ausgelöste expansive Geldpolitik, die Billionen von Dollar in den internationalen Markt gepumpt hat, um den wirtschaftlichen Kollaps zu verhindern. Peking und Washington können hier eine gemeinsame Basis finden, um die Stabilität des globalen Finanzsystems zu bewahren. Nicht nur, weil China weltweit die größten Fremdwährungsreserven und den zweitgrößten Bestand an US-Schatzwechseln hält, sondern weil der Zusammenbruch der internationalen Finanzwirtschaft für beide Länder eine Katastrophe wäre: China ist die größte Handelsmacht der Welt, und der Wohlstand der USA hängt zwingend von der Stabilität des Finanzsystems ab.

Funktionierendes Krisenmanagement ist ein gemeinsames Interesse

Viertens liegt es im gemeinsamen Interesse von China und den USA, einen angemessenen Mechanismus für ein funktionierendes Krisenmanagement aufzubauen. Ein Mechanismus, um zum Beispiel sensible Anliegen im Südchinesischen Meer oder in der Straße von Taiwan zu lösen und die Eskalation latenter Spannungen zu gefährlichen Konflikten zu verhindern, existiert im Moment praktisch nicht.

Und fünftens ist es wichtig, von einer Biden-Regierung nicht zu viel zu erwarten, besonders wenn es darum geht, den Rahmen für eine kohärente Chinapolitik noch vor den Midterm-Wahlen zum US-Kongress im November 2022 zu definieren. Bidens politische Prioritäten werden zunächst auf der Versöhnung der gesellschaftlichen Lager in den USA liegen. Denn die hochemotionalen Präsidentschaftswahlen haben das Land tief gespalten. Weitere Prioritäten sind, die Covid-19-Pandemie unter Kontrolle zu bringen und die von der Pandemie gebeutelte amerikanische Volkswirtschaft wieder zum Laufen zu bringen. Nicht zuletzt steht der Präsident vor der Aufgabe, die Macht seiner demokratischen Partei zu konsolidieren und einen überzeugenden Sieg in den Midterm-Wahlen einzufahren.

Gleichzeitig muss sich die neue US-Regierung darauf konzentrieren, ihre Führungsrolle gegenüber den eigenen Verbündeten wiederzuerlangen, die durch Trumps willkürlichen Unilateralismus schwer beschädigt worden ist. Biden und sein Team verstehen sehr wohl, dass die Stärke der USA nicht nur auf bloßer Macht beruht, sondern auch auf dem von den USA geführten Allianzsystem, das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs besteht.

Wenn Chinas politische Führung wirklich glaubt, dass eine Stabilisierung der chinesisch-amerikanischen Beziehungen im nationalen Interesse ist, steht ihr jetzt ein Zeitfenster offen, um den USA Politikveränderungen und -initiativen zu signalisieren. Man kann davon ausgehen, dass diese Signale positiv aufgenommen werden, wenn Pekings Wille deutlich wird, eine Politik der Reformen und der Offenheit zu verfolgen und sich an die etablierten Normen, Prinzipien und Regeln der internationalen Beziehungen zu halten.

Wir können also erwarten, dass der politische Wettstreit zwischen den USA und China zukünftig in ruhigeren Händen liegt. Schließlich ist es nicht der strategische Wettstreit per se, der Frieden und Stabilität weltweit sowie die Zukunft der Beziehungen zwischen Washington und Beijing gefährdet. Es ist eher die Ungewissheit eines Wettstreits zweier Großmächte, in dem keine der beiden die akzeptierten Regeln des Spiels einhält, sondern vielmehr ihr engdefiniertes Eigeninteresse willkürlich verfolgt.
 

Dieser Artikel wurde zuerst auf Nikkei Asia veröffentlicht.
 

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Robert Bosch Academy/Frauendorf

Huang Jing ist Distinguished Professor und Dekan des Institute on National and Regional Studies an der Beijing Language and Culture University und Richard von Weizsäcker Fellow der Robert Bosch Academy.

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